27. Januar 2025
Pressemitteilung des Fördervereins für das Ignatius-Lötschert-Haus e.V.
Horbach/Buchfinkenland. Um eine menschenwürdige Altenpflege jetzt und auch in Zukunft für die zu vielen "Boomer" zu sichern, bedarf es nicht weniger als einer echten "Pflegerevolution". Dass diese notwendig und alternaivlos ist, predigen Experten und Expertinnen schon lange. Jetzt bekommt diese Forderung mit Nachdruck Unterstützung aus dem Buchfindenland im südlichen Westerwald: zum Neujahrsempfang hatten dort das Seniorenzentrum Ignatius-Lötschert-Haus und dessen Förderverein unter dem Motto "Pflegerevolution - was jetzt zu tun ist!" eingeladen. Die Erkenntnis nach über 2 Stunden unterhaltsamen Vorträgen, Talk und Live-Musik: es muss dringend was passieren, um die Altenpflege zukunftsfest zu machen!
„Wir brauchen endlich einen großen Wurf in der Pflege, damit wir in so einer stationären Einrichtung wie unserer, auch künftig noch mit Leidenschaft und qualifiziertem Personal unserer Arbeit nachgehen können“, meinte Heimleiter Chris Martin zur Begrüßung. Als Vorsitzender des Fördervereines führte dann dessen Vorsitzender Uli Schmidt durch das Programm: „Wir sind sehr froh, dass wir zu den verschieden Bereichen der Altenpflege Fachleute mit einer langjährigen Erfahrung gewinnen konnten“.
Als Vertreterin der Ambulanten Pflege sprach zunächst Christina Eichberg als Geschäftsführerin der Pflegedienst Eichberg GmbH in Neuhäusel. „Den Betreuten soll mit Unterstützung unserer 44 motivierten Mitarbeiter/innen eine hohe Lebensqualität daheim ermöglicht werden“, so die erfahrene Expertin. Das sei jedoch zunehmend kaum noch möglich, da sich immer mehr Pflegedienste in der Existenz bedroht fühlten und unserer Gesellschaft ein akuter Pflegenotstand drohe. Sie wies hin auf zunehmend fehlende Fachkräfte, oft schlechte Zahlungsmoral der Leistungsträger und zu kurz gedachter Reförmchen. Christina Eichberg rief am Schluss dazu auf, die gesellschaftliche Wertschätzung für die Pflegeberufe zu verbessern und ihre anwesenden Kollegen/innen dazu auf, zusammen für Verbesserungen für den Berufsstand zu kämpfen.
Danach folgte ein nicht weniger fesselnder Blick von Schwester Barbara Spiegelhoff als Gemeindeschwer+ in der VG Montabaur auf die Lebensphase vor dem Pflegebedarf. „Am Anfang steht die Frage: wie möchten Sie gerne älter werden?“, so Sr Barbara als Einstieg. Um dann zu ergänzen, dass zu viele Menschen im Rentenalter sich nicht früh und intensiv genug mit dem Älterwerden auseinandersetzen. Die gelernte Krankenpflegerin berichtete aus ihrer Arbeit über Fälle von fehlender Teilhabe und Einsamkeit, Benachteiligungen von Frauen (auch mit Migrationshintergrund), Armutsbedrohung, fehlendem altersgemäßen Wohnraum und auch Altersdiskriminierung. „Da ist es wichtig, im Westerwald früh genug vor dem Eintritt des Pflegebedarfs Netzwerke zu knüpfen und soziale Aktivitäten auszuüben“, so die seit Mitte 2021 in der VG engagierte Gemeindeschwester. Ein aktives Leben im Alter trage dazu bei, den Pflegebedarf zu verringern oder zumindest zu verzögern!
Nach zwei so inhaltsreichen Vorträgen war Zeit für Musik: vielen unter die Haut ging dabei die Folklieder vom Duo „Orange Moon“ mit Angela Schmitz Buchholz und Franz Schmitz. „Was uns verbindet“ war eine Eigenkomposition mit aktuellem Gesellschaftsbezug, wurden doch Wege zu Freiheit und Toleranz besungen. Immer wieder zwischen den Vortagen sorgten die beiden für eine Auflockerung mit flotten irischen und schottischen Volksweisen. Viele Gäste hätten gerne mehr davon gehört, wäre da nicht noch die heraufbeschworene „Pflegerevolution“ als Thema gewesen…
Mit 33 Jahren Erfahrung im DRK-Seniorenzentrum Sonnenhof in Bad Marienberg, davon viele als Heimleiter, gilt Hennig Dills als einer der „alten Hasen“ in der stationären Altenpflege im Westerwald. Sein Einstieg, im Hinblick auf die immer älter werdende Gesellschaft: „Unser Vorteil derzeit: wir haben kein Problem die Plätze zu belegen!“, so Dills. Auch er bemängelt die geringe Zahlungsmoral der Leistungsträger, die abnehmende Belastbarkeit junger Mitarbeiter, verbunden mit einem generell erhöhten Krankenstand. Dazu ginge mit der generalistischen Ausbildung der Bezug zur Einrichtung mehr und mehr verloren. Bewerbungen für die Bereiche Pflege und Hauswirtschaft, gelernt oder ungelernt, gäbe es keine. Zudem gebe es die Tendenz, dass häufiger jüngere Menschen, Männer, Ehepaare und Hochaltrige aufzunehmen seien, die sehr heterogene Anforderungen an die Pflege und Betreuung stellen. Der erfahrene Pflegeexperte appellierte für die Zukunft an alle, auch in der Nachbarschaft anzupacken, um Pflegebedarf zu verringern. „Es wird wohl notwendig sein, dass rüstige Rentner, neben dem Reisen mit dem Wohnmobil, auch bei der Deckung des Hilfebedarfs mit anpacken. So kann es uns als Gesellschaft vielleicht gelingen, die stetig steigende Zahl an Pflegebedürftigen adäquat zu versorgen.!“ Die bescheidene „Generation Plumpsklo“ gebe es jedenfalls immer weniger in den Einrichtungen der stationären Pflege im Westerwald.
Wie die künftige „Pflegerevolution“ umgesetzt werden kann, zeigte danach ein mit dem Pflegepreis der Pflegkammer Rheinland-Pfalz ausgezeichnetes Projekt. Als Abteilungsleiterin für die Mobile Pflege beim Caritasverband WW-RL stellte Claudia Brockers das seit 2,5 Jahren erfolgreich laufende Projekt „Pflege ganz aktiv“ vor. „Dieses weit über den Westerwald hinaus strahlende Modell setzt ein ganz neues Denken um: Das Konzept basiert nicht mehr auf vorgegebenen Modulen, sondern baut ganz auf die individuelle Fachlichkeit und ganzheitliche Sicht der ambulanten Pflegekraft“ so die sehr erfahrene Expertin. Als anwesende Mitarbeiterin in dem Projekt ergänzte Gabi Schlosser: „Wir entscheiden jeden Tag vor Ort, gemeinsam mit dem Menschen, was heute notwendig und gewünscht wird und müssen uns nicht an irgendwann erstelle Vorgaben halten“. Claudia Brockers wies noch darauf hin, dass auch die Angehörigen und das persönliche Umfeld einbezogen werden und somit die Fachkräfte ihr Können und Wissen gewinnend einbringen. Abschließend wies die Caritasmitarbeiterin darauf hin, dass nach ihrer Erkenntnis 60 % der Pflegedienste in finanzieller Notlage sind und deshalb der Zwang groß sei, zukunftsfestere Modelle zu erproben und einzuführen.
Von Zuhörenden kam dabei der Hinweis, dass es im WW ja schon weitere großartige Modelle wie den auch bereits mehrmals ausgezeichneten „Pflegebauernhof“ von Guido Pusch in Marienrachdorf gebe.
Mit einem Blick auf Mitwirkende und Gäste dankte Heimleiter Chris Martin insbesondere seinem „besten Team der Welt“, ohne das so ein „Buchfinkenlandempfang“ nicht möglich wäre. Für den Förderverein schlug dessen Vorsitzender ein mögliches Thema für den nächsten Neujahrsempfang am 9.1.2025 vor: „Unser Buchfinkenland – was jetzt zu tun ist?“. Darüber und andere Themen wurde dann in zwei weiteren schnell vergehenden Stunden beim vom Küchenteam des Hauses vorbereiteten leckeren Imbiss und mehreren Kaltgetränken gesprochen. Wohl niemand der vielen Gäste bereute, beim ersten Empfang nach Corona dabei gewesen zu sein.