Selbstbestimmung am Lebensende sensibel thematisiert

04. Mai 2016

6. Internationale Woche „Palliativ ohne Grenzen“ in Meran

Meran. Bereits zum sechsten Mal lud die Katharina Kasper Akademie mit ihrem Fachbereich Palliativ und das Herz-Jesu-Krankenhaus Dernbach in Kooperation mit der Privatklinik Martinsbrunn in Meran und ihrem Förderverein Palliative Care zur internationalen Fortbildungswoche „Palliativ ohne Grenzen“ ein. Über 250 Teilnehmer fanden den Weg nach Meran, um berufsgruppenübergreifend Themenbereiche aus dem palliativen und hospizlichen Alltag zu diskutieren.

Die Fortbildungswoche startete am 26.04.2016 mit den multiprofessionellen Workshops „Balanceakt“, „Rehabilitation am Lebensende“ und „Kommunikation an der Grenze“.

Im Rehabilitation-Workshop unter der Leitung von Peter Nieland, dem leitenden Physiotherapeuten des Malteser Krankenhauses in Bonn,  wurde wissenschaftlich fundiert und dennoch praxisnah ein aktuelles und umfassendes Bild zu ganzheitlichen Ansätzen einer selbstbefähigenden und rehabilitativen Versorgung am Lebensende dargestellt. Die Teilnehmer konnten über die Berufsgrenzen hinweg vielfältige Anregungen mitnehmen, die ihren jeweiligen Berufsalltag bereichern werden.

Für eine gelungene palliative und hospizliche Begleitung sind gute  Kommunikationsstrukturen und -fähigkeiten unerlässlich. Im Kommunikations-Workshop gab die Psychoonkologin des Herz-Jesu-Krankenhauses in Dernbach, Dr. Dipl. Psych. Elke Freudenberg, Antworten auf die Fragen: Auf welchen Ebenen geschieht Kommunikation und was können Hindernisse sein? Gibt es den richtigen Zeitpunkt für bestimmte Themen? Wie kann die eigene Wahrnehmung geschärft werden, um noch besser auf den Gesprächspartner einzugehen? Was bleibt, wenn die Worte fehlen? In geschützter Workshopatmosphäre bot sich den Teilnehmern eine Mischung aus Selbsterfahrung, Wissensvermittlung und praktischen Übungen.

Der diesjährige Selfcare-Workshop unter der Regie von Dr. Dipl. Psych. Paul Nilges, dem langjährigen leitenden Psychologen am DRK Schmerzzentrum in Mainz, thematisierte den  Stellenwert innerer Balance und eröffnete Ressourcen der Team- und Selbstpflege, die erschlossen werden können, um im beruflichen Alltag zu bestehen. Dies ist besonders bedeutsam für Mitarbeiter in palliativen oder hospizlichen Strukturen, die sich täglich einem hohen, emotionalen Belastungsfeld stellen, umgeben von Leid, Tod, und Sterben.

Das hochkarätig besetzte Symposium wurde am Abend des 28.04.2016 im Bürgersaal Meran mit einem Festakt und einem Grußwort der Landesrätin für Gesundheit und Soziales, Dr. Martha Stocker, feierlich eröffnet. International renommierte Referenten behandeln in den Meraner Tagen Grenzthemen der Palliativmedizin und Hospizarbeit, als Schwerpunktthema des diesjährigen Kongresses wurden die Autonomie und alle Aspekte der Selbstbestimmung am Lebensende gewählt. Festredner war der Palliativmediziner Professor Dr. Christoph Ostgathe aus Erlangen, selbst Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). In seinem herausragenden Vortrag zum Thema „Ich will sterben!“ führte er die über 200 Teilnehmer des Symposiums in die Grenzbereiche der Selbstbestimmung am Lebensende und hob hervor, dass Todeswunsch und Lebenswille durchaus nebeneinander bestehen können und dass Worte wie: „Ich will sterben!“ nicht unweigerlich den Wunsch oder Auftrag intendieren: „Beende mein Leben!“, sondern vielmehr bedeuten können: „Beende mein Leiden!“. Hierin liegt die Chance, in eine gute Begleit- und Beziehungsebene einzutreten und mit allen Möglichkeiten von Palliative Care Lebensqualität bis zuletzt für Schwerstkranke und Sterbende spürbar werden zu lassen.

Mit bewegender Musik von Richard J. Sigmund aus Meran und vertonten Texten aus der Martinsbrunner Palliativstation sowie einer Tanzchoreographie des Lebenstänzers Dr. Felix Grützner aus Bonn wurde der Eröffnungsabend feierlich umrahmt. „Mit allen Sinnen im Dienst am Menschen“ – dieser feinfühlige Handlungsgrundsatz von Palliative Care wurde im Bürgersaal für alle Anwesenden zum Erlebnis. Durch den Abend führten die ärztliche Leiterin der Privatklinik Martinsbrunn, Dr. Andrea Gabis, und der Ärztliche Direktor des Herz-Jesu-Krankenhauses in Dernbach und Leiter des Fachbereichs Palliativ der Katharina Kasper Akademie, Dr. Christoph Lerchen, die beide auch die inhaltliche und wissenschaftliche Leitung der gesamten Internationalen Kongresswoche innehatten.

Der Plenartag am 29.04.2016 widmete sich im Bürgersaal sehr unterschiedlichen Aspekten in der hochaktuellen Autonomiediskussion. Im Spannungsfeld der Selbstbestimmung wurde die Menschenwürde (Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse, Gerontologe aus Heidelberg), der Wunsch nach Selbsttötung durch freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (Dr. Petra Kutscheid, Medizinethikerin aus Dernbach) der Stellenwert von Gewissensentscheidungen (Prof. Dr. Heribert Niederschlag, SAC, Moraltheologe und Ethiker aus Vallendar) sowie das Selbstwertgefühl von Betroffenen (Martina Kern, Leiterin des Palliativzentrums am Malteserkrankenhaus in Bonn) beleuchtet. Ein Vortrag über Cannabis in der Therapie von Schwerstkranken Kindern und Erwachsenen (Prof. Dr. Sven Gottschling, Palliativmediziner aus Homburg/Saar) sowie ein Theaterspiel vom Abschied und Weiterleben (Annette Schramm aus Windeck)  rundeten den Tag ab, der – typisch für Palliativ ohne Grenzen – multiprofessionell gestaltet wurde und sich sensibel mit schwierigen Haltungsthemen im palliativen Begleitkontext befasste.

Intensiv-Workshops am Vormittag des 30.04.2016 boten den Kongressteilnehmern noch einmal Vertiefungsmöglichkeiten der Schwerpunktthemen in Kleingruppen, bevor der gesamte Teilnehmerkreis am Nachmittag mit Bussen zum Kongressabschluss startete. Ziel war in diesem Jahr das Eggental hoch über Bozen und vis a vis von Rosengarten und Latemar. Nach einer gemeinsamen Wanderung in herrlicher Umgebung und mit interaktiven Impulsen zum Thema Haltung (Lebenstänzer Dr. Felix Grützner aus Bonn) schloss die diesjährige Fortbildungswoche mit einem erhebenden Abschlussgottesdienst in der Wallfahrtkirche Maria Weißenstein, der von Prof. Dr. Heribert Niederschlag, SAC, zelebriert und von Pfarrerin Jutta Braun-Meinecke, dem Chor- und Instrumentalensemble der Klinik Martinsbrunn sowie dem Lebenstänzer Dr. Felix Grützner eindrucksvoll mitgestaltet wurde. Nach einer Einkehr in der Klosterschänke ging es zurück nach Meran, und vielen Teilnehmern ging das irische Segenslied nicht aus dem Ohr: „Möge die Straße uns zusammenführen…“ Vielleicht wieder im Mai 2017 zu „Palliativ ohne Grenzen“ in Meran…



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